Malta – Die Insel, die jeder unterschätzt
316 km². Kleiner als Bremen. Dichter besiedelt als Bangladesch. Malta ist winzig, überfüllt und wird trotzdem ständig unterschätzt. Wer "Mittelmeer-Strandurlaub" erwartet, wird enttäuscht. Wer Geschichte, Kultur und dramatische Küsten sucht, wird überwältigt.
Malta in Zahlen
- ✓ 316 km² – ungefähr so groß wie München
- ✓ 520.000 Einwohner = 1.650 Menschen pro km² (Deutschland: 233)
- ✓ Valletta: Kleinste Hauptstadt der EU (0,8 km²)
- ✓ 3 UNESCO-Welterbestätten auf einer Mini-Insel
Warum Malta nicht ist, was du denkst
Malta wird als "Mittelmeerinsel" verkauft. Technisch stimmt das. Aber vergiss Sandstrände wie in Griechenland. Maltas Küste ist Kalkstein – felsig, zerklüftet, mit Klippen, die senkrecht ins Meer fallen. Die wenigen Sandstrände sind klein, überfüllt oder künstlich angelegt.
Malta ist auch nicht italienisch, obwohl es 80 km südlich von Sizilien liegt. Es ist britisch-arabisch-mediterran. Die Briten herrschten 164 Jahre (bis 1964), hinterließen rote Telefonzellen, Linksverkehr und Fish & Chips. Die Araber kamen im 9. Jahrhundert, prägten die Sprache (Maltesisch klingt wie Arabisch mit italienischen Einsprengseln). Die Johanniterritter bauten Festungen wie in Kreuzfahrerfilmen.
Das Ergebnis: Eine Insel, die kulturell hybrid ist. Englisch wird überall gesprochen. Kirchen stehen neben Moschee-ähnlichen Kuppeln. Britische Pubs servieren Pastizzi (arabische Teigtaschen). Malta ist Mittelmeer mit Britishness.
Valletta – Die Stadt, die ein Ritter entwarf
1565 belagerten die Osmanen Malta. Die Johanniterritter verteidigten die Insel mit 6.000 Mann gegen 40.000 Angreifer. Sie gewannen. Jean de Valette, der Großmeister, beschloss: Wir bauen eine uneinnehmbare Stadt.
Das Ergebnis: Valletta. Eine Festungsstadt auf einer Halbinsel, geometrisch geplant wie ein Schachbrett, umgeben von 12 Meter dicken Mauern. Die Straßen sind gerade, die Gassen eng, die Balkone (gallariji) aus Holz – ein arabisches Erbe.
Was du in Valletta sehen musst:
St. John's Co-Cathedral: Von außen schlicht. Innen: Barocke Pracht-Explosion. Goldverzierte Decken, Marmorboden mit 400 Grabplatten von Rittern, Caravaggios "Enthauptung Johannes des Täufers" (sein Meisterwerk). Eintritt 15€, aber lohnt sich.
Upper Barrakka Gardens: Die Terrassen-Gärten über dem Grand Harbour. Blick auf die drei Hafenstädte (Vittoriosa, Senglea, Cospicua) und Fort St. Angelo. Um 12 Uhr werden die Saluting Battery-Kanonen abgefeuert – Tradition seit 1566. Kostenlos, Instagram-perfekt.
Republic Street: Vallettas Hauptstraße. Hier reihen sich Cafés, Shops und Paläste aneinander. Caffe Cordina (seit 1837) ist Pflicht für Kaffee und Pastizzi. Am Ende der Straße: Fort St. Elmo, wo 2013 Teile von "Game of Thrones" gedreht wurden.
Valletta ist klein. 6.000 Einwohner, 0,8 km². Du kannst sie in 2-3 Stunden durchlaufen. Aber nimm dir einen ganzen Tag – die Stadt verdient es.
Blue Lagoon (Comino) – Der überschätzte Traum
Das Foto kennst du: Türkisfarbenes Wasser zwischen Felsen, Boote, die in der Luft zu schweben scheinen. Die Blue Lagoon auf Comino ist Maltas Instagram-Ikone.
Die Realität: Im Sommer ist die Lagune ein Albtraum. Hunderte Boote, tausende Menschen, Musik aus Lautsprechern, kaum Platz zum Schwimmen. Die Lagoon ist 100x50 Meter groß – viel zu klein für den Ansturm.
Wann die Blue Lagoon sich lohnt:
- Nebensaison (April, Mai, Oktober): Deutlich weniger Menschen, immer noch schön.
- Früh am Morgen: Erste Fähre um 9 Uhr nehmen, vor den Touristenmassen da sein.
- Abseits der Lagoon: Comino hat auch ruhigere Buchten (Crystal Lagoon, Santa Marija Bay) – kaum besucht, fast genauso schön.
Alternativ: Die Blue Grotto im Süden Maltas. Bootstouren durch Meereshöhlen mit spektakulären Blau-Lichteffekten. Weniger überlaufen, dramatischer.
Mdina – Die stille Stadt
Bevor Valletta gebaut wurde, war Mdina die Hauptstadt. Eine mittelalterliche Festungsstadt auf einem Hügel, umgeben von 10 Meter hohen Mauern. Heute leben hier 300 Menschen. Nach 18 Uhr ist die Stadt fast leer – daher der Name "The Silent City".
Mdina ist Zeitreise. Keine Autos (außer Anwohner), gepflasterte Gassen, Palazzi aus Sandstein. Die Kathedrale St. Paul dominiert die Skyline. Der Blick von den Stadtmauern reicht bis zur Küste.
Game-of-Thrones-Fans aufgepasst: Mdinas Tore waren King's Landing in Season 1. Das Tor, durch das Ned Stark ritt, erkennst du sofort.
Am besten am späten Nachmittag kommen. Die Tagesausflügler sind weg, das Licht ist golden, die Stadt gehört dir. Ein Abendessen in Mdina (z.B. im Medina oder Fontanella Tea Garden mit Blick) ist teuer, aber atmosphärisch.
Die Drei Städte – Valletta's vergessene Nachbarn
Gegenüber von Valletta liegen Vittoriosa, Senglea und Cospicua – die "Drei Städte". Hier kämpften die Ritter 1565 gegen die Osmanen. Heute: Ruhig, authentisch, unterschätzt.
Vittoriosa (Birgu): Die älteste der drei. Enge Gassen, Kirchen aus dem 16. Jahrhundert, Fort St. Angelo (besuchbar). Hier siehst du Maltas Geschichte ohne Touristenmassen. Am Hafen liegen Superyachten – Vittoriosa ist ein beliebter Yacht-Ankerplatz.
Senglea (Isla): Noch kleiner, noch ruhiger. Die Senglea Gardens an der Spitze bieten einen der besten Blicke auf Valletta. Die Vedette (ein Wachturm mit geschnitzten Augen und Ohren – "immer wachsam") ist das Wahrzeichen.
Cospicua (Bormla): Die größte, aber am wenigsten touristische. Hier leben noch echte Malteser, nicht Expats. Die Santa Margherita Lines (Festungsmauern) sind eindrucksvoll.
Die drei Städte erreichst du per Fähre von Valletta (2€, 10 Minuten) oder zu Fuß über Brücken. Ein halber Tag reicht. Komm für Authentizität, nicht für Highlights.
Popeye Village – Die absurdeste Sehenswürdigkeit
1980 drehte Robert Altman den Film "Popeye" mit Robin Williams. Kulisse: Ein komplettes Dorf, gebaut in der Anchor Bay im Nordwesten Maltas. Nach dem Dreh: Stehen gelassen. Heute: Themenpark.
Das Dorf ist surreal. Bunte Holzhäuser an einer hübschen Bucht. Im Sommer: Shows, Bootsfahrten, Popeye-Darsteller. Im Winter: Fast leer, aber die Bucht ist schön zum Schwimmen.
Lohnt es sich? Wenn du mit Kindern reist: Ja. Wenn du skurrile Orte magst: Auch. Wenn du ernsthaften Kulturinteresse hast: Eher nicht. Eintritt 18€.
Gozo – Die ruhigere Schwester
Gozo ist Maltas Nebeninsel. 67 km², 30.000 Einwohner. Grüner, ruhiger, ländlicher als Malta. Du erreichst sie per Fähre von Cirkewwa (25 Minuten, 5€).
Warum nach Gozo:
Ggantija-Tempel: 5.500 Jahre alt – älter als die Pyramiden. Megalithische Strukturen, die niemand erklären kann. UNESCO-Welterbe. Beeindruckend, wenn du dich für prähistorische Kulturen interessierst.
Azure Window (RIP): Das berühmte Felstor (aus "Game of Thrones") stürzte 2017 ein. Aber die Dwejra Bay, wo es stand, ist immer noch spektakulär. Tauchspot, Bootstouren durch die Inland Sea-Lagune.
Victoria (Rabat): Gozos Hauptstadt. Klein, gemütlich, mit einer Zitadelle auf dem Hügel. Die Cittadella bietet Panoramablick über die Insel.
Gozo ist ideal für einen Tagesausflug. Manche übernachten hier – ruhiger als Malta, aber weniger Infrastruktur.
Strände – die Wahrheit
Malta hat keine Traumstrände wie Griechenland. Punkt. Die Küste ist Fels. Aber es gibt ein paar Optionen:
Golden Bay & Ghajn Tuffieha: Die besten Sandstrände Maltas. Im Nordwesten, geschützte Buchten, goldener Sand. Im Sommer überfüllt. Parking 3€.
Mellieha Bay: Der längste Sandstrand (800m). Flaches Wasser, familienfreundlich. Weniger malerisch, mehr funktional.
St. Peter's Pool: Kein Strand, sondern Felsklippen mit natürlichem Pool. Kristallklares Wasser, Sprungmöglichkeiten. Im Süden, Zugang per Feldweg. Beliebt bei Locals.
Paradise Bay: Kleine Sandbucht im Norden. Nett, aber übertrieben benannt. Keine Karibik, aber zum Schwimmen okay.
Wenn Strände deine Priorität sind, geh nach Griechenland. Malta ist für Kultur und Küstenwanderungen.
Pauschalreise nach Malta – ja oder nein?
Pro Pauschalreise:
Malta ist einfach zu organisieren. Kleiner Flughafen, kurze Transfers, überschaubare Insel. Pauschalreisen nehmen dir trotzdem Stress ab – besonders wenn du mehrere Orte sehen willst.
Reiseveranstalter haben oft Zugang zu Hotels in Valletta selbst – schwer individuell zu buchen (kleine Kapazität, teuer). Die Paketpreise (Flug + Hotel) sind oft 20-30% günstiger als einzeln.
All-Inclusive lohnt sich weniger (Restaurants sind günstig und gut), aber Halbpension ist praktisch – Malta ist teurer als Griechenland oder Türkei.
Contra Pauschalreise:
Malta ist klein. In einer Woche hast du alles gesehen. Viele bleiben nur 3-4 Tage (Städtetrip-Länge). Pauschalreisen sind oft 7 Tage – zu lang für manche.
Individuelle Planung ist einfach: Flug, Hotel, fertig. Öffentliche Busse fahren überallhin (2€ flat), Mietwagen optional. Du brauchst keine Reiseveranstalter-Logistik.
Beste Reisezeit
Ganzjährig warm: Malta hat 300 Sonnentage. Selbst im Winter 15-18°C.
April bis Juni: Ideal. 20-28°C, wenig Regen, blühende Landschaft. Preise moderat. Beste Zeit für Sightseeing.
Juli & August: Heiß (35°C+), voll, teuer. Valletta und Blue Lagoon überlaufen. Nur für Hitzeliebhaber und Schulferien-gebundene Familien.
September & Oktober: Perfekt. 25-30°C, Meer noch warm (24°C), Hälfte der Touristen weg. Preise sinken um 30%. Beste Zeit für Paare.
November bis März: Mild (15-18°C), gelegentlich Regen. Viele Hotels offen, Sehenswürdigkeiten zugänglich. Ideal für Budget-Reisende und Kulturinteressierte. Baden zu kühl.
Praktische Tipps
Mietwagen: Optional. Malta hat gute Busse (2€ Tageskarte), aber Linksverkehr und chaotische Fahrer schrecken manche ab. Parkplätze in Valletta sind rar (10€/Tag).
Sprache: Maltesisch (arabisch-italienischer Hybrid) und Englisch. Jeder spricht Englisch – Malta war britische Kolonie.
Budget: Malta ist teurer als Griechenland, günstiger als Italien. Restaurant: 15-25€ pro Person, Mietwagen: 25-40€/Tag, Eintritt Valletta-Kathedrale: 15€.
Essen: Probiere Pastizzi (Ricotta- oder Erbsenpüree-Teigtaschen, 0,50€), Lampuki Pie (Fischpastete), Rabbit Stew (Nationalgericht), Kinnie (lokale Limonade).
Saħħa – Prost und gute Reise!